Ich hab das Gefühl, dass ich so wenig über die kleine Wachtel schreibe, in letzter Zeit. Aber das Leben rast irgendwie so an uns vorbei und oft sitze ich abends auf der Couch, denke mir “Ach, das müsstest Du auch noch bloggen!” und döse dann aber doch langsam aber sicher weg.
Aber ein paar Dinge möchte ich doch so gerne festhalten, weil sie einfach so beeindruckend sind, so hinreißend oder einfach so komisch. René und ich staunen wirklich oft in letzter Zeit. Jeden Tag sagen wir uns, wie fantastisch unser kleines Herz ist und wir haben so viel zu lachen über diesen nie still stehenden Kindermund.
Das tut er tatsächlich nie. Das letzte Mal, dass er für eine Minute still stand, war, als Milena in ihrer Spielkiste einen Schnuller fand und ihn einfach mal so ausprobierte. Oh, diese Ruhe! Es wurde ihr dann aber wohl selbst zu ruhig und schnell landete er wieder im nächsten Eck.
Hauptsächlich erzählt sie derzeit über die Dinge, die sie gerade im Moment sieht, die sie vor Kurzem gesehen hat und beeindruckend fand oder sie fordert ein, was sie gerade möchte. Bücher lesen, Kekse essen, gekitzelt werden, nach draußen… Ihr Wortschatz ist ungeheuerlich gewachsen, es sind längst weit über zweihundert Begriffe und ich habe das Zählen und Mitschreiben aufgegeben.
Sie prägt sich dabei alle möglichen Wörter in kürzester Zeit ein, oft reichen ein oder zwei Wiederholungen. Und wenn ihr das Wort oder der Gegenstand, für den es steht, besonders gut gefällt, dann wiederholt sie es unzählbar oft und plappert auch Stunden oder Tage später noch davon. Die Hirsche beispielsweise, die wir am Wochenende gesehen haben, kramt sie immer wieder hervor und ruft: “Hisch! Laut! (K)rach!” (Und es klingt wirklich herzzerreißend süß, wenn ein winziges Mädchen das Röhren eines solchen Tieres nachmacht.)
Überhaupt hat sie Adjektive für sich entdeckt. Sie unterscheidet zwischen heiß, kalt, warm, laut, leise, weich, hart, müde, lecker, nass, hoch und dunkel und wird nicht müde, das immer und immer wieder zu tun.
Und Verben hat sie auch in ihren Sprachschatz aufgenommen. Laufen, setzen, kitzeln, baden, essen, schmusen, schlafen, putzen, arbeiten, trinken, gucken, tanzen, lesen, anziehen, ausziehen und viele mehr.
Am beeindruckendsten, weil so abstrakt, finde ich aber die Präpositionen bzw. Ortsbezeichnungen, die sie gerade entdeckt. Rein, raus, durch, hoch, oben, runter, oder auch Worte wie weiter, weg oder (noch)mal und zum Teil auch schon ganz Sätze wie “Massua?” für “Was machst Du da?”
Zweiwortsätze sind schon ganz normaler Teil des Alltags hier geworden. Meist bestehen sie aus Name und Tätigkeit, also “Mila lafe” für “Ich bin müde und will jetzt bitte ins Bett” oder eben auch “Pulli weich”, “Föhn laut” und ähnliches. Aber auch der ein oder andere Dreiwortsatz war schon mit dabei, “Puppe Schuhe anziehen” zum Beispiel.
Wir fahren ja häufig zusammen im Bus und dort plappert sie natürlich auch munter vor sich hin – sehr zur Freude und Erheiterung der anderen Fahrgäste. Sie erklärt, wer Mann und Frau ist, wo die Nase ist und was für Anziehsachen die Leute so tragen. Wenn jemand eine Mütze an hat, weiß in kürzester Zeit der ganze Bus darüber Bescheid. Das Größte aber sind andere Buggies oder Kinderwagen, die mit uns fahren, denn da liegt sicher ein “Baby!” drin. Vielleicht hängt sogar ein kleines Händchen heraus, das man streicheln und befühlen kann.
Ich frage mich natürlich, woran es liegt, dass die kleine Wachtel so ein Wasserfall ist. Zum einen ist es mit Sicherheit Veranlagung – ich habe ja schon oft geschrieben, dass sie schon als winziges Baby begeistert war vom Hören und vom selbst Laute machen. Bestimmt kommt auch hinzu, dass sie so viele andere Kinder in ihrem Umfeld hat, von denen sie sich einiges abgucken und abhören kann. Und vielleicht spielt sogar ihr Sternzeichen eine Rolle, wie die liebe Tina mir vor kurzem verriet?
Vielleicht liegt es aber auch zum Teil daran, wie René und ich mit ihr sprechen. Ich lausche immer sehr gespannt, wenn ich andere Erwachsene mit Kindern reden höre und stelle oft fest, wie kompliziert und undeutlich sie sich dabei ausdrücken. Beispielsweise werden so häufig Verkleinerungsformen verwendet – Häschen statt Hase, Bettchen statt Bett – obwohl diese länger und wesentlich schwieriger zu verstehen und vermutlich auch zu merken sind. Außerdem ist der Tonfall oft genau der gleiche wie im Gespräch mit anderen Erwachsenen oder älteren Kindern, so dass es für Babies, so denke ich mir, fast unmöglich ist, auszumachen, welches Wort im Satz dasjenige ist, worauf es ankommt. “Sieh, das ist ein Apfel!” Wichtig ist hier eigentlich nur “Apfel”, der Rest ist halt notwendiges Beiwerk.
Ich habe mir ganz unbewusst bei Milena immer Mühe gegeben, mich so einfach wie möglich auszudrücken, langsam und deutlich zu sprechen und sie nicht mit langen Sätzen zu überfordern. Bei Verben habe ich häufig nur den Infinitiv benutzt, weil es sonst schwer sein kann, zu verstehen, dass “laufen” und “läuft” eigentlich dasselbe sind. (Ich habe aber immer richtige Sätze verwendet, also nicht “Der Hase laufen” sondern eben “Der Hase kann laufen.” mit Betonung eben auf dem letzten Wort.)
Vor allem aber habe ich mir immer Mühe gegeben, auf sie zu reagieren und sie nicht ins Leere sprechen zu lassen. Zugegeben, ich habe das nicht immer durchgehalten. Wenn ich müde und kaputt war, sie aber wild auf ihre Schuhe deutete und mir wirklich hundertmal erklärte “Schuhe! Schuhe! SCHUHE!”, reichte es manchmal eben nur für ein Lächeln und Nicken, wenn auch mit schlechtem Gewissen meinerseits. Aber wann immer ich konnte, habe ich reagiert und ihr zugestimmt, “Ja, das sind Schuhe”, oder eben erklärt, worum es sich handelt, wenn sie fragend auf etwas deutete. Ich erinnere mich, dass ich es als Kind sehr schrecklich fand, den Erwachsenen aufgeregt von etwas erzählen zu wollen und sie ignorierten das einfach.
Woran es also auch immer liegt – es ist, neben der Geburt an sich, für mich wirklich das Faszinierendste, was ich je erleben durfte. Zu sehen, wie dieses kleine Wesen alles in sich aufsaugt, alles annimmt und sofort wiedergibt, wie es Dinge und Begebenheiten abruft und mit welcher Begeisterung sie selbst dabei ist. Manchmal bilde ich mir ein, regelrecht zu merken, wie sich in ihrem Kopf Synapsen verbinden, wie Wege freigeschaltet werden. Es ist ein großes Wunder, und ich sehr dankbar dafür, dabei sein zu dürfen und meinem kleinen Herzen auf ihrem Weg etwas mitgeben zu können.
Ich finde das Sprechen lernen bei den Kleinen auch so niedlich, dann noch mit diesen süßen Stimmen 🙂 Ich mach es sehr ähnlich wie du, rede sehr deutlich und versuche immer genau zuzuhören. Ich fand es auch als Kind immer schlimm, wenn ich was erzählen wollte, mir aber nicht zugehört wurde.
Genauso wie Du es beschreibst, so ist es.
Genau-so.
Wunderbar.
Die Sprache ist wirklich etwas wundersames, weil man ein Kind ja nicht zwingen kann zu sprechen, sondern es das selber macht wann/wie/wo es will. Unsere Tochter wächst ja mit zwei Sprachen auf, da ist das alles für mich nochmal unglaublicher, dass sie das alles so auf die Reihe kriegt in beiden Sprachen. Schön finde ich es, dass sie heuer richtig Dinge erzählt und eine eigene Logik entwickelt über Dinge, die man ihr versucht hat kindgerecht zu erklären. Da staunt man dann immer wieder, welche Worte hängen geblieben sind – oder man wundert sich, woher sie das nun hat? Es ist wirklich ein Wunder, dieses Sprechenlernen. Und ein Geschenk ein Kind dabei begleiten zu dürfen. Schön dein Post darüber!
oh, ist das süß!
bei uns geht es auch gerade los. das meiste ist noch unverständlich, dabei meint sie alles sehr klar und deutlich.
ein sehr rührender beitrag! (so, wie es bei dir meistens sehr anrührend ist!)
Toll 🙂
Ich liebe es wie du (be)schreibst und ich sitze hier bewundernd vor meinem Notebook und bin irgendwie ganz berührt … (ich kann gar nicht mal sagen was mich so angesprochen hat – es ist wohl die Liebe zwischen Deinen Zeilen)
Hier passiert momentan sehr Ähnliches und ich bin fürchterlich verliebt in all die vielen Wortneuentdeckungen und eigenwilligen Ausspracheversuche. Ein tolles Alter, gell!?