Es ist keine gute Idee, der kleinen Wachtel ihr Gläschen Frühkarotten in dem weißen Oberteil zu geben, welches man heute abend zu Weihnachten tragen möchte. Wirklich keine gute Idee. (Gehen die Flecken wieder raus?!)
In all den folgenden Wochen half mir weiterhin der Angelsounds Fetaldoppler sehr, nicht so ängstlich zu sein. René hat zwar oft die Augen verdreht, aber ich habe diese Sicherheit irgendwie gebraucht. Und es wurde ein schönes Ritual für mich, abends auf unserem Bett zu liegen und mich für ein paar Minuten ganz auf das kleine, fliegende Pochen einzulassen. Mein Herz zersprang jedesmal fast vor Freude über dieses zarte, aber beständige Lebenszeichen, und wie gesagt, meine Angst wich. Sobald die ersten zwölf Wochen geschafft waren, war ich wie ausgewechselt. Ich wusste irgendwie, dass diesmal alles gut gehen würde. In der vierzehnten Schwangerschaftswoche lernte ich meine Hebamme, Renate, kennen. Wir wohnten damals noch in der Nordstadt, nur wenige Minuten zu Fuß vom Geburtshaus entfernt, und ich…
Morgen mittag ist es also soweit: Das erste Mal, dass Milena etwas anderes als Muttermilch bekommen wird. Frühkarotten sollen es werden, und mittlerweile freue ich mich sogar darauf. Klingt blöd? Ich weiß. Ist aber so. Seit sechseinhalb Monaten stille ich sie voll, und ich hätte vorher niemals angenommen, dass mir das so viel bedeuten würde. Ich hatte mir vor Milenas Geburt überhaupt keine Gedanken darüber gemacht. Ich war unbeschwert und ging davon aus, dass das Stillen schon klappen würde (diese Gelassenheit hatte ich übrigens meiner großartigen Hebamme zu verdanken). Und das tat es dann ja auch. Die ersten Wochen trank Milena fast jede Stunde, im Laufe der Zeit wurden die Abstände größer. Mittlerweile sind wir bei zweieinhalb bis dreieinhalb Stunden angelangt, je nachdem wie…
Soll ich mich ärgern, dass wir im Zug weder beim Hin- noch beim Rückweg kontrolliert wurden, nachdem wir es in einer Hauruckaktion tatsächlich noch rechtzeitig geschafft haben, einen Kinderausweis zu bekommen? Ich glaube nicht. Jedenfalls hat die kleine Wachtel jetzt höchst offiziell ihren ersten eigenen Reisepass. Und ich ärgere mich auch nicht, dass es hier geschneit hat, als wir nicht da waren. Immerhin lag in Zürich richtig viel Schnee und es fielen auch ständig dicke Flocken. Und hier daheim waren schließlich auch noch zwei, drei klägliche Häufchen Geschmolzenes zu finden. Und ganz besonders ärgere ich mich nicht, dass ich drei von den vier Malen, die die kleine Wachtel sich vom Rücken auf den Bauch gedreht hat, nicht gesehen habe. Ich bin einfach unheimlich stolz!…
Vor zwei Wochen dachte ich noch: Ach, Milena hat ja gar keinen Ausweis. Ob das mit unserer Einreise in die Schweiz dann überhaupt klappt? Gedacht und den Gedanken sofort wieder beiseitegelegt. Bis er gerade eben wieder an die Oberfläche ploppte und nur so aus Spaß hab ich mich mal informiert. Und, wie sollte es anders sein, sie braucht natürlich einen Kinderausweis, weil die Schweiz nicht zur EU gehört. Blöd ist das! Vor allem blöd ist, dass wir jetzt schon neun Uhr abends haben und morgen um elf in der Früh unser Zug geht. Das heisst also, zusätzlich zu der ganzen Ambourage (Amburasch?), morgen mit zwei großen Koffern, einer Kameratasche, einer Handtasche, einem kleinen Kind im Ergo und eventuell auch noch einer Babywippe unterm Arm…
Babyzeichen sind etwas Großartiges. Ich habe durch Zufall erst vor wenigen Monaten davon erfahren und war mir sofort sicher, dass Milena diese lernen sollte. Ich habe mir also flugs ein Buch darüber bestellt und dieses ganz interessiert verschlungen. Nun haben wir damit angefangen, als sie viereinhalb Monate alt war – also vor knapp acht Wochen. “Milch” und “mehr” sind die einzigen beiden Zeichen, die wir derzeit benutzen, weil wir die kleine Wachtel nicht überfordern möchten. Milch gehört derzeit einfach zu den wichtigsten Dingen für sie überhaupt, und mehr ist ein schönes Zeichen, weil man es so vielseitig anwenden kann. Na jedenfalls hat René sie mir eben zum Stillen auf den Schoß gesetzt und gewohnheitsmäßig habe ich sie mit Worten und mit der entsprechenden Gebärde…
Das ist ein besonderes Geschenk, finde ich. Ich erinnere mich, wie ich es selbst im Kindergarten gelesen habe und begeistert von diesem kleinen Nimmersatt war. Und tatsächlich freue ich mich heute noch immer wieder, wenn ich es in einem Bücherregal entdecke.
Was schenkt man eigentlich einer kleinen Wachtel zu Weihnachten? Es ist ihr erstes Weihnachtsfest, und auch, wenn sie noch schrecklich klein ist, soll sie natürlich auf keinen Fall leer ausgehen. Und das Geschenk soll etwas Besonderes sein – am liebsten etwas, dass sie in dreißig Jahren noch hat und lieb-hat. Also schonmal nichts zum Anziehen (ihr Kleiderschrank ist größer als unserer!). Und Spielzeug, ich weiss ja nicht. Sie hat eine kleine Kiste voll damit, alles Geschenke von lieben Freunden, aber der Renner sind momentan die leere Sprudelflasche und die halbvolle Packung Tempos. Also, woran hängen Halbjährige ihr Herz? (Das wirklich Ärgerliche ist, dass ich letztens eine sehr schöne Idee hatte, die ich aber inzwischen schon wieder vergessen hab. Stilldemenz in Reinkultur. Args.)